Interlaken mischt mit

Ein Gemeinschaftskrimi | Teil 19

Interlaken mischt mit | Teil 19

Samstag, 18. April 2020

Autorin | Simone Leitner
Mitwirkende | Isabel Hunziker, Zuchwil | Claudia Sollberger, Halten | Hans Fischer, Lüterkofen | Christine Künzler, Schüpfen | Susanne Im Hof, Grenchen | Mathieu Im Hof, Grenchen | Joëlle Harms, Selzach  

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Interlaken mischt mit

«Lassen Sie sich nichts erzählen. Von niemandem. Egal, wer was behauptet. Egal, wer was zu wissen glaubt. Niemand weiss genau, was geschehen ist, wer den ersten Gegenstand gestohlen hat. Wer den Füdlistein wegtransportiert hat. Wer die Scherbe aus dem Museum Blumenstein verschwinden liess. Und schon gar nicht, wer die Statue von Kościuszko in zwei  Teile getrennt und an zwei historischen Plätzen versteckt hat.» «Ein genialer Einstieg!» Jeffrey ist mit sich und seinem Artikel zufrieden. Jetzt noch schnell zu von Burg.

«Jeff, schön geschrieben. Muss sagen, der Einstieg ist dir gelungen. Gut, vielleicht etwas pathetisch, aber ja …warum nicht, kann man so machen. Immerhin geht es ja um historische Stücke, gell du Historiker!» Chefredaktor Andreas A. von Burg steht auf und klopft Jeffrey wohlwollend auf die Schulter. «Kaffee?». Jeffrey nickt. Andreas von Burg  stellt dem jungen Kollegen einen Espresso hin und spricht Klartext. «Der Artikel erscheint nicht, kein weiterer Kommentar.»

10 Minuten später hat Jeffrey nicht nur den Glauben an seinen Arbeitgeber, sondern auch in sich verloren. «Jeffrey Affolter, Kopf hoch», muntert ihn von Burg auf. «Was soll ich machen? Ist doch auch deine Stadt! Ist unser aller Erbe, unser Fundament! Und Jeff: vor allem dein Erbe! Nicht ich, du bist einer von ihnen!»

Wütend packt Jeffrey seine Sachen und geht in Richtung Aare. An der Kreuzackerbrücke steht Alma vor dem Palais Besenval und erklärt einer Gruppe die grosse Bedeutung dieses Bauwerks. «Das Palais ist nach den Gebrüdern Johann Viktor II. Besenval (1671–1736) und Peter Joseph Besenval (1675–1736) benannt, die das Bauwerk errichteten liessen. Ganz nach dem Vorbild französischer Stadthäuser des Adels. Nach dem Tod der Brüder Besenval 1736 ging das Palais an Peter Josephs Tochter Maria Johanna Margaritha Viktoria Besenval (1704–1793) über. Sie heiratete den späteren Schultheissen Franz Viktor Augustin von Roll (1700–1773), wodurch das Palais an die Familie von Roll gelangte.» Jeffrey winkt und geht hastig an ihr vorbei.

«Ich habe kein gutes Gefühl», sagt Alma etwas später zu Kuno auf ihrer Dachterrasse. Er verdreht die Augen. Alma lässt nicht locker. «Kuno, dein sogenannter Neffe ist mir suspekt.» «Er ist noch jung und ein Hitzkopf.» Studer setzt sich näher zu Alma und geniesst die Ruhe.

Er räuspert sich und setzt zur grossen Rede an. «Jeffrey ist ein Spross einer Patrizierfamilie!», sagt er bedeutungsvoll. «Und was daran soll aussergewöhnlich sein? Das ist in Solothurn nun wirklich keine Sensation.» Alma ist ungeduldig.

In diesem Moment läutet das Telefon, Tom Seiffert meldet sich mit überraschend freundlichen Worten: «Alma, schön hast du kurz Zeit für mich. Ich möchte dir meine Festrede vorlesen, ist mir wirklich gelungen.» Alma hört zu. «Tom, das tönt doch gut.» «Das war die Einleitung!», sagt Seiffert genervt und bestellt Alma zu sich ins Büro. «Beeil dich, ich treffe in einer Stunde von Burg zum Nachtessen. Wichtiges Interview.»

Alma bricht hektisch auf und sagt zu Studer. «Ich muss weg.»

In der Zwischenzeit hat Jeffrey mit der Alpen Zeitung Kontakt aufgenommen. Er ist zurück in der Redaktion, sitzt an seinem Computer und tippt. «Ein genialer Plan», schreibt Jeffrey seiner Kollegin in Interlaken. Doris lernte er am Seminar «Geschichte schreibt Geschichte» kennen und fand sie aufregend. Sie hatte ihn nicht wahrgenommen. Das soll sich ändern.

Interlaken und Solothurn werden die Titelseiten aller Schweizer Medien schmücken. Und Jeffrey würde als der grosse Enthüllungsjournalist gefeiert. Sein Herzklopfen ist heftig. Doris ist von seiner Geschichte beeindruckt. 

In wenigen Minuten postet er den Facebook-Eintrag gleichzeitig mit seiner Berner Kollegin. Dann ist das Geheimnis des Füdlisteins Geschichte. Jeffrey hört ein Geräusch hinter sich, nimmt noch einen dumpfen Schlag auf seinen Hinterkopf wahr und …  

«Jeff, hörst du mich?» Er öffnet seine Augen und sieht von Burg. «Was ist denn los mit dir?» «Ich weiss nicht, ich war an meinem Computer und wollte noch … » Beide schauen auf seinen Bildschirm, dort steht «So nicht! Ich verfolge dich auf Schritt und Tritt. Seit 15 Jahren.»

Jeffrey ist noch ganz benommen und versucht Studer zu erreichen. «Kuno, ich bin zu weit gegangen. Jetzt brauche ich deine und Almas Hilfe!»

Alma ist bei Tom Seiffert. «Du hast wirklich ein Talent, die Dinge auf den Punkt zu bringen», schmeichelt sie ihrem Chef. «Komm Alma, ich weiss, dass du die Rede schlecht findest.» Alma sagt, er habe eine viel bessere Rede verdient. «Tom, wenn du mich jetzt zwei Tage machen lässt, mir vertraust, dann kriegst du einen Text, der dich umhauen und unstreblich machen wird. «Hier schon mal ein erster Teil: Der Füdlistein ist gestohlen. Die Scherbe und der Kościuszko waren es auch.» Seiffert setzt sich hin. «Wir lösen für den Festakt den Fall auf und du wirst eine Rede halten, die Tausende hören wollen und werden. Livestream, Webcast. Tom du wirst ein Held!» Seiffert ist blass. «Alma, wenn das schief geht … !»

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