Scherben bringen kein Glück

Ein Gemeinschaftskrimi  | Teil 2

Der Krimi | Teil 2

Donnerstag, 27. März 2020

Autorin | Simone Leitner
Mitwirkende | Isabel Hunziker, Zuchwil | Nicole Bundi, Biel

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Scherben bringen kein Glück

Mit zitternden Händen öffnet sie das schwere Tor und tritt fassungslos an die Stelle, wo der Stein stehen sollte. Ihre Augen suchen hektisch jede Ecke und jeden Winkel ab. Der Stein ist und bleibt verschwunden. Panik befällt sie und ihr Gedankenkarussell beginnt zu drehen. «Das kann doch nicht sein.» Alma kann zwar ihre roten Angstflecken am Décolleté verbergen, den dunklen Gedanken, ihr Geheimnis würde sie einholen, nicht.

«Entschuldigen sie meine Damen, die Stadtführung muss an dieser Stelle leider beendet werden, handelt es sich doch beim vermissten «Füdlistein», der aus Solothurner Kalktstein besteht und damals seinen Platz in der sogenannten «minderen Stadt», der Solothurner Vorstadt, am inneren Berntor in der Mauer über dem Eingang hatte, um ein denkmalgeschütztes Objekt.» Ein weiteres Raunen geht durch die Gruppe. Alma hört die fünf Damen aber nur noch schwach und wühlt nervös in ihrer rot-weissen Umhängetasche auf der Suche nach dem Mobiltelefon. «Hallo? Ja, Müller hier. Bin ich mit der Polizei verbunden? Ich brauche dringend Hilfe an der Goldgasse.» «Frau Müller! Hören sie mich? Sind sie sicher, wie kann ein Stein dieser Grösse gestohlen werden? Und aus welchem Grund?», fragt der geduldige Beamter am Telefon. Er verspricht, einen Kollegen vorbei zuschicken und hängt ziemlich abrupt auf.

Alma versucht sich zu beruhigen. «Sicherlich hat der Denkmalschutz den Stein abgeholt, um ihn in einem Museum auszustellen oder zu restaurieren.» Das wäre zwar das erste Mal in ihrer langen Karriere als Stadtführerin und sie hätte sicher auch vorher davon erfahren. Nun verabschiedet sich Alma von den fünf Anwältinnen und empfiehlt ihnen noch drei tolle Restaurants ganz in der Nähe. Auf die kulinarischen Wünsche ihrer Gäste geht sie aber nicht mehr ein. Sie stammelt nur, dass Solothurn mit Sicherheit schweizweit das beste und vielfältigste Angebot an coolen, ausgezeichneten Restaurants habe. Alma winkt, dreht sich um und geht ein paar Schritte der Goldgasse entlang. Sie versinkt erneut in Gedanken. Die Goldgasse war früher ein bedeutender Ort, hat ihren wohlverdienten Namen der Münzpräge zu verdanken, die sich neben dem offenen Stadtbach befand. Alma riecht plötzlich die Münzen, die dort geprägt wurden, hört den Stadtbach rauschen und laute Männerstimmen streiten. Plötzlich stolpert sie über einen Steinbrocken und findet sich in der Realität wieder. «Die Nachbarn haben sicher mitbekommen, wie der grosse Füdlistein weggekommen ist», grübelt sie vor sich hin. Voller Hoffnung klingelt die Stadtführerin bei den Anwohnern und erkundigt sich bei einen nach dem anderen, ob sie etwas gesehen oder gehört hätten. Erfolglos. Niemand hat irgendetwas bemerkt oder will etwas bemerkt haben. «Es ist helllichter Tag, warum haben die Nachbarn nichts gesehen?» Bei Alma keimt die düstere Vorahnung wieder auf. Ein Passant scheint ihre Verfassung zu erkennen und fragt mitfühlend: «Geht es Ihnen gut?» Als Alma antworten will, bleiben ihr die Worte im Hals stecken. Ihr Blick fällt auf ein paar ungewöhnliche Spuren, die von der Goldgasse in Richtung Aare führen. Ihre Augen weiten sich und sie weiss nun mit Gewissheit: Der Stein wurde gestohlen!

Scherben bringen kein Glück

Um die Münzaustellung im Museum Blumenstein reisst sich an der Redaktionssitzung niemand. Das Team von Redaktoren, Fotografinnen und Layoutern will sich gerade dem nächsten Thema zuwenden, da stürmt mit einer halben Stunde Verspätung Jeffrey Affolter an den Sitzungstisch, ruft ohne Begrüssung: «Münzen? Blumenstein? Cool! Das mach ich!». Die Kolleginnen und Kollegen werfen sich fragende Blicke zu und nicken wohlwollend. Jeffrey nimmt die Unterlagen, verlässt den Raum, geht an seinen Arbeitsplatz und vereinbart bereits 30 Minuten später einen Termin im Museum Blumenstein. Schon vor dem Eingang hört Jeffrey laute Stimmen, eine scheint er sofort zu erkennen, «Der wertvolle Scherben ist weg!», ruft ihm Alma Müller entgegen, als er das Museum betritt. Die beiden kennen sich. Die Stadtführerin ist verzweifelt: «Diese Tonscherbe ist das älteste Zeitdokument, welches beweist, dass die Stadt Solothurn von den Römern zwischen 15 und 25 n.Chr. gegründet wurde» Jeffrey erkennt sofort die Tragweite dieses Diebstahls. Aus dem Augenwinkel sieht er wie Alma sich noch abstützen kann und dann langsam zu Boden fällt. Zuerst der Füdlistein, jetzt die Scherbe. Was geht da vor?

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