Subtiler als gedacht 

Ein Gemeinschaftskrimi | Teil 21

Der Krimi | Teil 21

Dienstag, 21. April 2020

Autorin | Simone Leitner 

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Subtiler als gedacht

«Mir ist egal, wie Sie mich in den Festakt integrieren, aber tun Sie es einfach!» Tom Seiffert nickt und zwingt sich zu einem Lächeln. Mona zu erklären, dass er über keine Entscheidungsbefugnis verfüge, die Federführung vielmehr bei Stadtschreiber Huber liege, wäre zu kompliziert geworden und hätte sie kaum beruhigt. «Frau Besenval, ich wünsche Ihnen eine angenehme Nacht, Sie hören von mir», beendet Seiffert das Gespräch und verschwindet in der Dunkelheit der Nacht. Mona lächelt zufrieden. Es ist Mitternacht, sie geniesst das Geläut der St. Ursen-Kathedrale und erinnert sich an ihren Vater.

Anstelle von klassischen Märchen erzählte er seiner geliebten Tochter von der St. Ursen-Kathedrale. «Sie besitzt eines der bedeutendsten Barockgeläute Europas. Obwohl der historische Wert dieses elfstimmigen Ensembles mit seinen reich und individuell geschmückten Einzelglocken stets anerkannt wurde, drohte dem Glockenbestand in den frühen 1960er Jahren eine Teilzerstörung durch den willkürlichen Ersatz mehrerer Glocken. Das Projekt wurde glücklicherweise fallengelassen, doch waren in klanglicher Hinsicht tatsächlich Optimierungen wünschenswert.» Schön, hat ihr Vater die Restaurierung 2014 noch miterlebt. Vor sechs Jahren gelang es Experten, das Geläut dem denkmalpflegerischen Sinne entsprechend zu restaurieren und die klanglichen Mängel aus der Welt zu schaffen, ohne dabei Glocken zu ersetzen. Mona ist abgeschweift, sie vermisst ihren Vater jeden einzelnen Tag.

«Bis jetzt hat alles einwandfrei geklappt», flüstert sie am Telefon. Nur diese Geschichte, die ihr Seiffert erzählt hat, Jeffrey habe einen Schlag auf den Hinterkopf bekommen: «Lächerlich! Nie und nimmer!», sagt sie belustigt. «Ich weiss, dass an dieser Geschichte ziemlich alles faul ist.» Auch diese absurde Drohung, die auf dem Bildschirm stand. Genauso wie Jeffreys Rolle als naiver und unbedarfter Journalist. «Der wahre Grund, warum Jeff nach Solothurn gekommen ist und als hochdekorierter Historiker von einer amerikanischen Eliteuni bei der Lokalzeitung einen Job angenommen hat, ist offenbar an Studer und Alma vorbeigegangen.» Mona setzt sich auf die Mauer, schaut in die schwarz anmutende Aare und findet sich mal wieder genial. Sie erinnert sich, lacht laut auf und sagt ins Smartphone: «Unverbesserlich die beiden Verliebten im Frühling 1980. Kuno und Alma, die immer und überall für Aufregung sorgten, sich prächtig verstanden und grosse Pläne hatten. Aber schlussendlich nicht den Mut fanden, sich für ein unkonventionelles Leben und vor allem für die Liebe zu entscheiden.» Studer, dieser leidenschaftliche junge Kriminalwissenschaftler, frisch von der Uni und voller Idealismus. Und Alma Müller, die schöne, sinnliche Frau, die kreativ denken und trotzdem analytisch beobachten konnte.Mona war immer etwas eifersüchtig auf sie, faszinierte doch Alma die Männer und vor allem Studer von der ersten Sekunde an. Was für ein begabtes und sehr glückliches Paar. Und nun sind sie sehr frustriert, ohne Leidenschaft, dafür offensichtlich voller Schuldgefühle.

Als Tourismusdirektor Seiffert vorhin Mona, «off the record» natürlich, wie er betonte, die Details über Jeffrey, über von Burg und den ausgezeichneten Krimi-Trail erzählte, lachte sie zum Erstaunen von Tom Seiffert lauthals und amüsierte sich köstlich. Natürlich war das alles nichts Neues für Mona, aber es war aufregend zu hören, wie gut sie in diesem nicht ganz einfachen Spiel Regie führt. Sie musste aber auch neidlos zugeben, dass Alma und Kuno noch immer ein kreatives und sehr kluges Duo abgeben. Immerhin, dieser Teil der Geschichte, dass sie schon einen Tag nach Verschwinden der historischen Gegenstände die richtige Spur aufnehmen würden, hat auch Mona erstaunt und nicht für möglich gehalten. Sie geht noch ein paar Schritte durch die Stadt und dann zurück in ihr Hotel. Schon bald würde sie kein Hotel mehr in Solothurn brauchen.

Es ist weit nach Mitternacht, Jeffrey geht beim Baseltor unruhig hin und her und untersucht jeden einzelnen Quadratzentimeter. «Hier muss doch eine Spur zu dieser Grabung und dem Füdlistein sein. Dieses Reservoir aus oder nach der Zeit des Schanzenbaus im 17. Jahrhundert ist bestimmt das Versteck, das spürt er ganz deutlich», pusht er sich selber. Er muss den Füdlistein vor Mona finden und wegtransportieren lassen.» Jeffrey war tief in seinen Gedanken versunken und noch tiefer mit dem ausschlaggebenden Hinweis am Boden beschäftigt, als er unvermittelt Worte hört: «Jeff, ganz alleine unterwegs? Hast du etwas verloren? Deine Genialität vielleicht?» Jeffrey Affolter dreht sich um.

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