
Unterirdisch vernetzt
Ein Gemeinschaftskrimi | Teil 9
Der Krimi | Teil 9
Samstag, 04. April 2020
Autorin | Simone Leitner
Mitwirkende | Isabel Hunziker, Zuchwil | Hans Fischer, Lüterkofen | Susanne Im Hof, Grenchen | Mathieu Im Hof, Grenchen | Joelle Harms, Selzach
Unterirdisch vernetzt
Auch Tom Seiffert verbrachte den zweiten Teil des Nachmittags voller Tatendrang. Er war ziemlich zufrieden. Kurz vor fünf Uhr hatte er seinen guten Kumpel in Zürich angerufen, der den Vorsitz der Jury für den Tourismus Award hält. «Karl, du weisst, dass der Kanton Solothurn schon längt einen Award hätte bekommen sollen. Das ist ein Politikum. Und mit diesem unschlagbar genialen und historischen Krimi-Trail spielt Solothurn nun ganz vorne mit. Da kommt ihr gar nicht mehr drum herum.» Karl Flückiger ist nur halb so begeistert wie Seiffert. Aber der Solothurner Tourismusdirektor lässt sich weder verunsichern noch bremsen. «Karl, unter uns: Du kannst da sehr viel Goodwill bei den Solothurner Touristikern, Hoteliers und Gastronomen schaffen. Und den brauchst du für deinen Wahlkampf im Herbst.» Tom Seiffert versichert dem Zürcher Kollegen, er sei voll und ganz auf seiner Seite. Ja ganz Solothurn sei auf seiner Seite, dann verabschiedet sich Seiffert und grinst siegesbewusst. Jetzt muss er nur noch Facebook in den Griff bekommen. Schon eine Stunde später erhielt Tom Seiffert die Nachricht, der Krimi-Trail «Solothurn spielt verrückt» sei nominiert. «Geht doch», sagt Seiffert so vor sich hin, packt seinen Designer-Messenger und geht lässig Richtung Baseltor. Heute würde er mit offenem Dach nach Hause fahren. «So ein Cabriolet ist doch immer ein Hingucker», beschliesst er und verschwindet beschwingt im Parkhaus.
Mit Stirnlampe und Rucksack bewaffnet macht sich Jeffrey kurz vor 22:00 Uhr auf den Weg Richtung Goldgasse. Ausnahmsweise ganz in Schwarz gekleidet. Er zieht verstohlen die Kapuze seines Hoodies noch etwas tiefer ins Gesicht. Die Gassen der Altstadt sind menschenleer. Ein Blick nach links, einer nach rechts: «Herzlich Willkommen im Leben eines Verbrechers», murmelt er vor sich hin und hastet lautlos in die Goldgasse. Ebenso lautlos entfernt er die Bretter oberhalb des Hohlraums und steigt langsam hinab in dieses riesige Gewölbe. Vorsichtig tastet er sich dem feuchten Gemäuer entlang. Der Gang ist nach Süden ausgerichtet und dessen Ende verläuft im Nichts. Es ist zappenduster und angsteinflössend still. Leicht gebückt legt Jeffrey einige Meter zurück, ehe er innehält.
Der Schein seiner Taschenlampe trifft auf einige Backsteine oder präziser, auf deren Überbleibsel. «Reste von Backsteinöfen des ehemaligen Krutbades», flüstert Jeffrey sichtlich erfreut. Das Solothurner Krutbad ist eine der wenigen archäologisch untersuchten spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen Badstuben. Diese standen meistens an Fliessgewässern, um das Frischwasser einfach entnehmen und das Schmutzwasser leicht entsorgen zu können. «Perfekt gelegen beim Stadtbach und der Aare», murmelt Jeffrey. Er kennt die Auswertungen dieser Ausgrabung in und auswendig. Eines der drei Stadtbäder, welches im Jahr 1705 abgerissen und dessen Grundstück zur selben Zeit von der Familie Besenval gekauft wurde. Aufgrund dieser Entdeckung weiss Jeffrey, dass er sich direkt an der Aare befinden muss. Dann biegt der Gang nach rechts ab. Ob es der offizielle, unterirdische Gang ist, der das Palais Besenval seit 2006 mit dem Landhaus verbindet? «Nein, dieser hier würde garantiert nicht der offizielle Weg sein!» Einige Schritte später trifft der Kegel seiner Taschenlampe auf eine Holzleiter. Jeffrey erkennt am Ende dieser Leiter eine geschlossene Luke. Vorsichtig nimmt er den Anstieg in Angriff. Mit zittrigen Händen entriegelt er die schwere Tür. «Was zum Teufel …!», entfährt es Jeffrey und steigt ins Freie. «Du kannst vielleicht Alma oder deinen von Burg, vielleicht sogar Tom Seiffert täuschen, aber nicht mich!», schreit ihn Kommissar Studer an. Hattest du wirklich das Gefühl, diese mysteriöse Geschichte alleine aufzudecken und dann deinen vermeintlichen Erfolg als Journalist zu feiern? Lächerlich!»