Napoleon in Solothurn

Napoléon auf seiner Reise durch die Schweiz in Solothurn ein. Nach seinem Aufenthalt in Fraubrunnen wollte er hier nicht länger verweilen, obschon die Zimmer gerüstet und geheizt bereit stand, der Speisesaal hell erleuchtet war und ihm eine reichhaltige Mahlzeit angeboten wurde. Bonaparte nahm keine andere Erfrischung an als ein Glas Wasser, das man für ihn beim damaligen Fischbrunnen holte. 

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Nur ein Glas Wasser vor der Krone

Der Freitag, 24. November 1797 ist erst eine halbe Stunde alt. In Solothurn wartet "Kronen-Wirt" Franz Schmid seit Stunden auf General Bonaparte, der in Italien für Frankreich einen siegreichen Feldzug geführt hat und nun durch die Schweiz unterwegs ist. Der Tisch ist festlich gedeckt, der Saal illuminiert, die Zimmer sind geheizt und gerüstet. Endlich, eine Stunde nach Mitternacht rattert die Kutsche über das Kopfsteinpflaster. Der französische General, eskortiert von 15 berittenen Bauern und in Begleitung von vier Herren aus Bern, steigt jedoch nicht aus - vom Fischbrunnen am Klosterplatz wird ihm das verlangte Glas Wasser ins Wageninnere gereicht. Eine Goldmünze klimpert als Anerkennung in einen Teller; dann heisst Bonaparte abfahren. In Balsthal soll er beim nächsten Zwischenhalt das gleiche Spiel getrieben haben - erst mittags, in Basel, lässt er sich wieder bewirten. 

Warum diese Eile?

Die Express-Reise durch den Kanton Solothurn war von einigem Ärger begleitet: Die Rechnung von 1417 Pfund und 16 Batzen, die Franz Schmid den "Gnädigen Herren und Obern" von Solothurn für seinen vergeblichen Aufwand (darunter die Organisation von 35 Pferden für fünf Tage) gestellt hatte, wurde offenbar nie beglichen. Doch hat Bonapartes Eile noch andere Hintergründe, die nicht nur seinem empfindlichen Magen anzulasten sind: In der Romandie ist der General noch von jubelnden Volksmassen begrüsst worden, in Bern dagegen fällt der Empfang ziemlich kühl aus. Auch dort bleibt Bonaparte im Wagen, und nach einem halbstündigen Gespräch aus dem Kutschenfenster fährt er weiter Richtung Fraubrunnen. 

Schon unterwegs wurden Schmährufe gegen Bonaparte gehört, doch jetzt im nachtdunklen Fraubrunnen, wo nichts für den Gast vorgekehrt scheint, wird der General unruhig. Er weiss, dass der britische Gesandte in Bern, William Wickham, gegen Frankreich wühlt. Trachtet man jetzt dem Newcomer der französischen Revolutionsgeneräle, dem Sieger von Italien nach dem Leben? Jedenfalls soll Bonaparte solche Vorwürfe und Befürchtungen im dunklen Gasthof von Fraubrunnen geäussert haben. Trotzdem wartet der Korse bei gebratenen Schnepfen auf eine berittene Bedeckung, die schliesslich aus einigen Bauern in Kutten und Zipfelkappen rekrutiert wird. Ein Geleit, das Bonaparte nicht unbedingt vertrauenerweckend vorkommt - und so hat er im bern-freundlichen Solothurn nicht nur wegen der verzehrten Schnepfen keinen Appetit mehr, sondern sogar gewisse Besorgnisse: In Solothurn ist wie in Bern noch das Patriziat an der Macht, und dieses fürchtet zwar Frankreich, aber liebt es nicht (mehr).

Die französische Revolution hatte beim Tuilerien-Sturm 1792 auch Solothurner Blut gekostet, und in der Folge war das vorher so ertragsreiche Soldwesen für Frankreich in Solothurn kein Thema mehr. Kam dazu, dass nach 1789 immer mehr französische Emigranten auch in Solothurn Unterschlupf suchten und von den Revolutions-Greueltaten in Paris berichteten - was die Stimmung gegen Frankreich nur anheizte. 1796 wurden die rund 300 Emigranten auf Druck Frankreichs sogar ausgewiesen - in Solothurn wie in Bern machte sich jene verhängnisvolle Mischung zwischen Angst, Kriecherei, Trotz und Apathie breit, die gut drei Monate nach Bonapartes "Drink" am Kronenplatz in die Katastrophe führen sollte.

Ein Treffen mit Folgen

Wie gespannt das Klima war, zeigte sich auch bei Bonapartes Eintreffen im Nachbarkanton Basel: In Waldenburg belegte man vor der Kutsche die Strasse mit Teppichen; in Liestal sollen aus einer riesigen Menschenmenge sogar Rufe wie "Der Erlöser ist da!" erschollen sein. Ebenso enthusiastisch fiel der Empfang in Basel aus, wo Bonaparte ein erstes Treffen mit dem Basler Oberzunftmeister Peter Ochs hatte. Ochs, ein Revolutionsanhänger, wollte nach französischem Muster umkrempeln und traf sich in der Folge mehrfach mit Bonaparte. Ochs soll dabei den General aufgefordert haben, den Rest des Fürstbistums Basel (dem damals auch Biel angehörte) zu besetzen.

Ein Vorschlag, der dem Korsen nur zu gelegen kam: Bereits im Herbst 1797 schmiedete er erste Pläne für seinen Aegypten-Feldzug, der vor allem - Geld kostete. Die profranzösische Stimmung in der bernischen Waadt und im Baselbiet versprach deshalb im Endeffekt einen Umsturz in der ganzen Schweiz - und fette Beute für die französische Kriegskasse.

Und genau in diese Richtung drifteten die Dinge: Nur drei Wochen nach dem Blitzbesuch in Solothurn wurde Biel von den Franzosen widerstandslos übernommen; im Januar 1798 ebenso die Waadt besetzt. Und am 2. März hatte auch für Solothurn die Stunde geschlagen.

So hatte Bonapartes Reise für Solothurn weitaus fatalere Folgen als nur eine unbeglichene Rechnung.